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Buntes Bilbao (3)


Buntes Bilbao (4)

Buntes Bilbao (5)

50 Jahre später …

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Ein halbes Jahrhundert nach seinen frü­he­sten noch vorhandenen Er­in­ne­run­gen aus Kin­der­ta­gen stellte der zonebattler an einem sonnigen Urlaubstage fest, daß es in und um Oberndorf (bei Möhrendorf, sprich nördlich von Erlangen und links der Reg­nitz) immer noch weitgehend so aus­sieht wie anno dunnemals:

Impressionen aus Oberndorf

Impressionen aus Oberndorf

Impressionen aus Oberndorf

Impressionen aus Oberndorf

Impressionen aus Oberndorf

Impressionen aus Oberndorf

Die Plaketten des »Rin­der­zucht­ver­ban­des Mit­tel­fran­ken« haben sich über die Jahre vermehrt, dafür ist die eine und die an­de­re Sand­stein­scheu­ne verschwunden und im Becken des Pump­häus­chens leben schon lange keine Lurchis mehr. Aber an­son­sten…

Kurzens Klotz

Wahrzeichen

Endspiel

Schaurige Schönheiten

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Einen ihrer best Urlaube ever verbrachten der zonebattler und seine bessere Hälfte soeben in Siebenbürgen. Ohne die befreundete Nachbarin Almut S., die aufgrund Ihrer Herkunft doppelte Muttersprachlerin ist, hätte unsereins Rumänien vermutlich nie als mögliches Reiseziel ins Auge gefaßt. So aber hatten wir das Glück, eine mit der Gegend, den Menschen und ihrer Sprache vertraute Türöffnerin an unserer Seite zu wissen, was unsere Sommerfrische zu einem ganz be­son­de­ren (und nachhaltig wir­ken­den) Erlebnis werden ließ. Dazu wird später mehr zu er­zäh­len sein, wenn die rei­che Bild-Ausbeute der Reise gesichtet und gewichtet ist. Einst­wei­len mache ich mei­ner Le­ser­In­nen­schaft Mund und Augen wässrig mit einer kleinen, künstlich ent­färb­ten und leicht verdüsterten Vorschau…

Impressionen aus Siebenbürgen

Impressionen aus Siebenbürgen

Impressionen aus Siebenbürgen

Impressionen aus Siebenbürgen

Impressionen aus Siebenbürgen

Für den zur Me­lan­cho­lie und Wehmut nei­gen­den Endesunterfertigten geriet die Ex­pe­di­tion unverhoffter- und ungeplanterweise auch zum Flashback in die eigene Kind­heit, was ihn durchaus kalt erwischte. Auch da­rü­ber demnächst mehr in diesem vir­tu­el­len Mini-Theater!


Sommer in Siebenbürgen (1)

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Ich hatte ja schon unlängst unter dem reißerischen Titel »Schaurige Schönheiten« ein paar schwarzgeweißte Fotos aus dem heurigen Urlaub als Appetitanreger gezeigt. Heute nun soll endlich etwas Farbe in die Erinnerungen an eine wunderbare Reise gebracht werden. Gleich vorneweg: Auch wenn in Transsilvanien alias Siebenbürgen mancherorts mit abstrusen Dracula-Le­gen­den versucht wird, den Tourismus zu be­feu­ern [1], die Realität ist eher bunt als düster und Blutsauger gibt’s dort wie hier wohl primär im Finanzgewerbe. Dennoch muß erneut zugegeben werden, daß wir Ru­mä­nien ohne die Anregung durch unsere be­freun­de­te und bilinguale Nachbarin Almut S. wohl niemals ernsthaft als Reiseziel er­wo­gen hätten: Ein paar unverifizierte Vor­ur­tei­le hat man halt doch irgendwie im Hin­ter­kopf gehabt…

Besagte Nachbarin war nun schon eine gute Woche vor uns im Auto mit Mann, zwei Töchtern, einem Hund und allerlei Hausrat losgefahren, der zonebattler und seine bessere Hälfte flogen später mit nur einem einzigen Koffer beladen hinterher. [2] Am Flughafen von Sibiu (Hermannstadt) [3] vereinigte sich die Fürther Nachbarschaft und steuerte das etwa 80 km entfernte Richiș (Reichesdorf) an:

Richiș (Reichesdorf) im Kreis Sibiu (Hermannstadt) / Gemeinde Biertan (Birthälm)

Unsere Nachbarn waren dort nicht zum ersten Mal (wir jetzt vermutlich auch nicht letzt­mals) und führten uns in die örtlichen Gegebenheiten ein. Wobei sich das Dorf­le­ben sehr übersichtlich darstellte und der Aufenthalt dort entsprechend entspannend und entschleunigend. Zur Geschichte Sie­ben­bür­gens ist zusammenfassend zu sagen, daß dort mehr als 850 Jahre lang Rumänen, Un­garn, Zigeuner, Juden und deutsche Ein­wan­de­rer friedlich ne­ben­ein­an­der her lebten – zwar in weitgehend geschlossenen Pa­ral­lel­ge­sell­schaf­ten, aber eben mit Respekt vor den jeweils anderen und sich nicht ge­gen­sei­tig an die Gurgel gehend. Insofern kann die Gegend als leuchtendes Beispiel für die prinzipielle Möglichkeit einer weitgehend friedlichen Koexistenz ver­schie­dener Volks­grup­pen, Ethnien und Religionen dienen. [4]

Heute sind die Spuren der deutschen Be­sied­lung der Gegend noch unübersehbar, die Siebenbürger Sachsen selbst allerdings nur noch in homöopathischer Dosierung an­säs­sig: In zwei großen Auswanderungswellen in den 1970ern und nach 1990 sind die von großem Zusammengehörigkeitsgefühl ge­präg­ten Rumäniendeutschen aus Sie­ben­bür­gen nach Deutschland geschwappt und kommen heute überwiegend nur als »Som­mer­sach­sen« im Urlaub wieder für ein paar Wochen zurück ins Land ihrer Väter und der eigenen Vergangenheit. Natürlich auch nach Richiș, wo wir erstaunlich viele Autos mit deutschen Kennzeichen aus unserer Region sahen (FÜ, N, ER, SC, AN, …). So sieht es in diesem typischen Straßendorf aus:

Typische Häuser der Siebenbürger Sachsen

An der wechselnden Fassadenfarbe erkennt man sofort den immer wiederkehrenden Rhythmus aus Hofeinfahrt und Wohnhaus, der das straßenseitige Erscheinungsbild der Siebenbürgisch-Sächsischen Anwesen bestimmt. [5] Nach hinten gehen die Grund­stücke sehr in die Tiefe und oft noch den Hang hinauf, so daß bei relativ schmaler Straßenfront viel Platz für Scheunen, Wirt­schafts­ge­bäu­de, Ställe und Nutzgärten war. Inteessierte LeserInnen mögen sich das mal vermittels Google Earth aus der Luft an­schau­en, die hand­tuch­schmal erscheinenden Grundstücke fallen auf den ersten Blick ins Auge.

Was man leider auch sehr schnell registriert, sind die Spuren der Vernachlässigung, ja auch des Verfalls, dem die alten Häuser und Einrichtungen seit dem Auszug ihrer letzten deutschstämmigen Besitzer ausgesetzt sind: Auch wenn sich zwischendrin einige schöne Beispiele von behutsamer Instandsetzung und Renovierung finden (na­ment­lich in Richiș haben sich großstadtmüde Menschen aus den Niederlanden, Bel­gi­en, Frankreich, Eng­land, Deutschland und sonstwoher recht preiswert ein­ge­kauft), so sind doch leider vielerorts etliche Anwesen leerstehend und in be­kla­gens­wer­tem Zu­stand. [6] Immerhin, in Richiș sieht es auf der Hauptstraße auch in der anderen Rich­tung noch (oder wieder) ganz gediegen aus:

Typische Häuser der Siebenbürger Sachsen

Daß auf den beiden vorangegangenen Fotos nur ein Auto und ein Motorroller zu sehen sind, hat nichts mit beschaulichem Wo­chen­en­de oder verkehrsarmen Ta­ges­rand­zei­ten zu tun: Der motorisierte Individualverkehr ist auf dem Lande noch sehr überschaubar, hölzerne Fuhrwerke mit einer einzigen Pfer­de­stär­ke vorne dran sieht man dort öfter als bereifte Bür­ger­kä­fi­ge aus Blech. Auch das ein Grund, warum uns die Som­mer­fri­sche in Siebenbürgen sehr gefallen hat.

Ein weiterer Grund waren die Begegnungen mit entspannten Menschen, seien es alte Sachsen, seien es junge Rumänen. Während wir mit den erstgenannten gut auf Deutsch über die früheren Zeiten plaudern konnten, konnten wir uns bei den zweit­ge­nann­ten mit Englisch behelfen. Allerdings kann die völ­ker­ver­stän­di­gen­de Eisbrecher-Rolle unserer »Dolmetscherin« Almut nicht stark genug betont werden, ohne deren Sprach­kennt­nis­se uns manche Tür verschlossen und man­ches Erlebnis verwehrt ge­blie­ben wäre. Weitgehend wortloses Einvernehmen zum beiderseitigen Plaisir bestand (wie allerorts) zwischen dem zonebattler und seinen vier­bei­ni­gen Freunden. Hier sehen wir Ent­span­nungs­übun­gen von Herrn Paulchen, der uns während unseres Auf­ent­hal­tes ans Herz gewachsen ist und den wir nur unter Seufzen zurückgelassen (und einer ungewissen Zu­kunft überantwortet) haben:

Paulchen freut sich seines Lebens

Das kleine Paulchen wußte sich sehr an­stän­dig zu benehmen und sich damit den tem­po­rä­ren Gästen im Ort nachdrücklich zu em­pfeh­len. Sein charmantes Wesen brachte ihm viele Sympathien und sicherlich auch den einen oder anderen Lecker­bis­sen ein. Anderen Hunden im Ort ging es weniger gut, denn man muß leider kon­sta­tie­ren, daß die Be­hand­lung und Verwendung von Haus- und Nutztieren in Rumänien (wie fraglos auch in vielen anderen Ländern an Europas Pe­ri­phe­rie) eher nicht den uns vertrauten Ge­pflo­gen­hei­ten entspricht…

Hunde, Katzen, Hühner, Pferde, Kühe: In Siebenbürgens Dörfern läuft eine Menge Ge­tier frei herum und weckte in unsereinem Erinnerungen an eine ferne Kindheit, als solche – aus Kindersicht paradiesischen – Verhältnisse auch in deutschen Landen All­tag waren. Überhaupt wurden in des Be­richt­er­stat­ters Gedächtnis allerlei ver­schüt­te­te Erinnerungen aufgequirlt, als ihm typische Gerüche aus unbeschwerten Ju­gend­ta­gen in die Nase stiegen, sei es das süßliche Aroma vergorener Trauben in ei­nem be­helfs­mä­ßi­gen Weinkeller, sei es der üppige Geruchs­cock­tail einer frisch ge­mäh­ten Wiese mit großem Artenreichtum an Pflanzen. Un­ver­mu­te­te Flashbacks wie diese rührten den ollen zonebattler tatsächlich zu Tränen: Erstaunlich, was so alles ir­gend­wo im Hin­ter­kopf schlummern und nach einem halben Jahrhundert durch ein paar ol­fak­to­ri­sche Schlüs­sel­rei­ze wieder aktiviert werden kann!

Abendstimmung in Richiș

Richiș alias Reichesdorf war also unser zeit­wei­li­ges Zuhause, von dort aus un­ter­nahmen wir Wanderungen und kleine Expeditionen, per pedes, per Rad, per Pfer­de­fuhr­werk oder per PKW. [7] Wobei es schon im Ort selbst und in dessen un­mit­tel­ba­rer Nachbarschaft viel zu entdecken gab für jemanden, der naturnahen Urlaub liebt und dem Trubel des städtischen Lebens zeitweise gerne entflieht.

Was einem sogleich auffällt außer dem typischen Erscheinungsbild der Häuser ist die Liebe der Rumänen (und wohl auch der im Lande verbliebenen Deutschen) zu Blu­men. Allerorten leuchten bunte Blüten, nicht nur draußen am Wegesrand und in den Wie­sen, auch innerorts an den Straßen, in den Höfen, vor den Häusern und nicht zu­letzt auch an deren Fenstern:

Üppiger Blumenschmuck ist allerorten anzutreffen

Auch damit hatten wir nicht gerechnet: Unsere Reisen in südlichere Gefilde hatten wir immer im Frühling unternommen, um auf La Palma, Malta, Mallorca oder Teneriffa in den Genuß bunter Blütenpracht zu kom­men. Im Spätsommer noch ir­gend­wo üp­pi­ges Grün und farbenfrohe Blumen flä­chen­deckend vorzufinden hätten wir nicht zu hoffen gewagt, zumal nicht nach diesem Dürre-Sommer in Deutschland. Ein weiterer Pluspunkt für unser neu entdecktes Rei­se­land Rumänien!

Nicht weniger üppig, wenn auch deutlich weniger schön wuchern überall die vom Men­schen gelegten Adern des technischen Fortschritts: Strom-, Telefon- und Internet-Kabel liegen nicht im Boden, sondern hängen in der Luft zwischen groben Be­ton­ma­sten im weiland kommunistischen Brutalo-Design. Auch im Detail herrscht offenbar die Maxime »function first«, weshalb die Verstrickungen der Verstrippungen so aus­se­hen, wie sie halt nun mal ausschauen:

Kabelverhau vor historischem Bau

Schön ist natürlich was anderes, aber ein gewisser Pragmatismus ist dem Landvolk ja über­all auf der Welt zu eigen, ebenso wie eine souveräne Laxheit in ästhetischen Fra­gen. Nicht einmal der postmoderne Franke könnte sich hier guten Gewissens über­le­gen fühlen, kommt ihm doch allzuoft selbst ein schnodderiges »des dudd’s« über die Lippen…

Mit so einer Haltung kann man nicht nur ertragen, was feinsinnigen Geistern und kon­troll­be­dürf­ti­gen Charakteren ein Greuel ist, nein, man kann sogar mit dem un­ge­plan­ten Wer­den und Vergehen um einen herum seinen Frieden machen. Und vielleicht sogar zu der Erkenntnis gelangen, daß die Natur nicht des Menschen Werk in zer­stö­re­ri­scher Absicht zu überwuchern angetreten ist, sondern ihm vielmehr ein Stück Schön­heit zurückbringt in seine von ihm selbst ent-schönte kleine Welt:

In jeder Ritze regt sich Leben

Der westliche Wahn des Ausrottens allen Wildwuchses hat auf den (mä­ßig) wilden Osten glücklicherweise noch nicht über­ge­grif­fen, und unter anderem das macht den Charme Siebenbürgens aus. Der Exodus der Siebenbürger Sachsen (korrekterweise müßte man sie als rumänische Staatsbürger deutscher Nationalität titulieren) hat zwar vieles dem Niedergang überantwortet (von den Häusern über die berühmten Kir­chen­bur­gen bis hin zu den Weinbergen), indes wirkt der schleichende Fall auf den Besucher eher pittoresk und charmant sowie in der Regel nicht de­pri­mie­rend. Wer Venedig kennt und dessen morbide Aura liebt, mag das nachvollziehen können. Übrigens sieht man von der real existierenden Armut in Ru­mä­ni­en selbst in den Städten deutlich weniger als in den urbanen Zentren im »reichen« We­sten…

Als wahrlich reich anzusehen sind indes die Menschen, die zwar in bescheidenen, aber doch wür­di­gen Verhältnissen zufrieden le­ben. Wie zum Beispiel jene Siebenbürger Sachsen, die wei­land dem Herdentrieb wi­der­stan­den haben und in der an­ge­stamm­ten Heimat zurück­ge­blie­ben sind. Wir dur­ften solche kennenlernen. Aus Gründen der Dis­kre­tion zeige ich zur Illustration nur einen äußerlich Eindruck vom kleinen Pa­ra­dies der bo­den­stän­di­gen Leute:

Nicht ganz klein, und immer noch fein: Der Hausgarten von Frau und Herrn Schaas

So, das war es dann für heute. Seitenlang über Siebenbürgen geplappert und nicht eine einzige Kirchenburg gezeigt! Macht aber nix, denn erstens bin ich ja schon in Vor­lei­stung gegangen und zweitens macht(e) der Robert von nebenan ohnehin die besseren Bilder. Dafür ist der zonebattler zweifelsfrei die größere Plappertasche, so ergänzen wir beide uns prächtig. Im zweiten Teil geht es hier demnächst weiter mit bunten Ansichten und weiteren Schach­tel­sät­zen aus dem Zen­trum Rumäniens!

 
[1] Eine Strategie, die offenbar einigen Erfolg zeitigt. Immerhin hat das Anlocken un­be­darf­ter Pauschal-Touristen mit depperten Dra­cu­lan­tien den Vorteil, daß diese dann zumeist in den ohnehin überlaufenen und tou­ri­sti­fi­zier­ten Städten verbleiben und sich eher selten ins noch weitgehend ur­sprüng­li­che Umland verirren…

[2] Von Nürnberg nach Sibiu (Hermannstadt) braucht ein Airbus der ungarischen Wizz Air noch nicht einmal zwei Stunden.

[3] In dieser Reiseberichterstattung werden Ortsnamen in offizieller rumänischer Schreib­wei­se notiert, bei erstmaliger Nen­nung gefolgt vom deutschen Namen in Klam­mern.

[4] Diese vereinfachende Darstellung ist natürlich im Detail durchaus kritisch zu se­hen. Beispielsweise hat sich in Deutschlands tausendjährigem Jahrzwölft der kol­lek­ti­ve Rassenwahn auch unter den fernab des braunen Reiches lebenden Sie­ben­bür­ger Sachsen breitgemacht. Dies näher aus­zu­füh­ren ist aber nicht das Thema dieser Ur­laubs-Reprise.

[5] Was uns übrigens vor dem Urlaub nicht bekannt war: Die ursprünglichen »Sie­ben­bür­ger Sachsen« kamen als willkommene Siedler aus dem Luxemburgischen, dem Rhein­land und von der Mosel. Zu »Sachsen« machte sie der Weg über Mit­tel­deutsch­land, mit den »richtigen« Sachsen hatten und haben sie nichts zu tun. Ähnlich verhält es sich übri­gens mit den »Banater Schwaben«, denen dieses mißweisende Etikett aufgeklebt wur­de, weil die Auswanderer ihre Schiffs­reise auf der Donau weiland in Ulm be­gan­nen…

[6] Landflucht ist natürlich auch in Rumänien ein Thema: Junge Leute zieht es in die Städte, wo es mehr Abwechslung und auch at­trak­ti­ve­re Arbeit gibt (sprich besser be­zahl­te, zeit­lich weniger ausufernde und nicht so kör­per­lich anstrengende wie in der Land­wirt­schaft draußen)…

[7] Unsere Nachbarsfamilie aus Fürth hatte ja alles dabei (bis auf das Pfer­de­fuhr­werk).

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Bildungsburg

Ausgedient

Morgensonne

Sommer in Siebenbürgen (2)

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Man sollte ja meinen, daß einem während eines naturnah verbrachten Urlaubs auf dem Lande primär querformatige Motive vor die Linse kommen. Tatsächlich muß der zone­batt­ler aber verblüfft konstatieren, daß er selten so viele Hochformat-Auf­nah­men mit nach Hause gebracht hat wie aus der Som­mer­fri­sche in Rumänien! Das liegt natürlich zuförderst an den mehrfach erwähnten, je­doch bis dato in dieser Reise-Reprise nicht gezeigten Kirchenburgen und sonstigen Hoc­hbau­ten der fotogenen Sor­te. Ein weithin berühmtes Motiv ist der Stundturm von Sighișoara alias Schäßburg, und der schaut nun wirklich so aus, wie sich der gemeine Vampir-Fan die perfekte Kulisse für nächt­lich-gruseliges Treiben vorstellt:

Stundturm mit vorgelagerter Torburg in Sighișoara (Schäßburg)

Sighișoara ist ein markantes Beispiel für ei­nen an sich sehr schönen Ort (das hi­sto­ri­sche Zentrum gehört seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe), welcher jedoch durch tou­ri­sti­sche Heimsuchung – angeblich bis mög­li­cher­wei­se wurde Vlad Țepeș (Vlad III. Drăcu­lea, der Pfähler) hier vor rund 600 Jahren geboren – einiges von seinem na­tür­li­chen Charme eingebüßt hat. Die heimische Wirt­schaft und auch Teile der Ga­stro­no­mie ma­chen sich den Dracula-Hokuspokus zu­nut­ze, um mit mildem Grusel Publikum und Gäste anzulocken. Wirklich gruselig sind indes die allerorten feilgebotenen Souvenirs aus fern­öst­li­cher Produktion: Bei deren An­blick würde sich der originale Graf Dracula (so es ihn denn gäbe) wohl selbst schau­dernd abwenden…

Wir wenden uns nicht ab, sondern weiterhin zu, und zwar weiterhin den auf­rech­ten Zeu­gen der landesspezifischen Architektur! Hier sehen wir die mustergültig in­stand­ge­hal­te­ne, evan­ge­li­sche Kirche zu Mălâncrav (Malm­krog):

Evangelische romanische Kirche von Mălâncrav (Malmkrog)

Wir waren dort zwecks Besuchs eines kleinen transsilvanischen Klassik-Musik­fe­sti­vals, des­sen Ausführende samt Troß zur Zeit unserer Visite in der Gegend unseres Weilens he­rum­tin­gel­ten. Gleich neben der ro­ma­ni­schen Kirche gibt es in Mălâncrav ein un­ga­ri­sches Adelsschloß, in welchem die jungen Musiker ihr Können de­mon­strier­ten. Davon gibt es hier leider keine Bilder zu sehen, aus Dis­kre­tions­grün­den ebenso wie aus mei­ner al­ters­be­dingt zunehmenden Neigung, kulturelle Höhepunkte im Mo­ment ihres Entstehens sinnlich zu genießen statt sie mit letztlich untauglichen Mitteln ir­gend­wie konservieren zu wollen. Eine Kirche läuft einem nicht weg (allenfalls tut es mit­tel­fri­stig das passende Licht), daher konnte der eindrucksvolle Sa­kral­bau dann stell­ver­tre­tend für das Ge­samt­er­leb­nis seinen Weg durch das Objektiv und letztlich hier hinein in des Berichterstatters Blog finden…

Ein kleiner Sprung durch Zeit und Raum bringt uns nach Copșa Mare oder auch Groß-Kopisch, einem recht idyllischen Ort östlich von Biertan (Birthälm), den wir von dort aus erwandert haben. Vorbei an Brunnen, klei­nen Katen, kichernden Kindern und kläf­fen­den Kötern überwanden wir zu siebt (vier Erwachsene, zwei Kinder, ein braver Hund) einen Höhenzug, um schließlich nach dem Konsum von Eis und kalten Ge­trän­ken aus dem winzigen Dorfladen vor dem natürlich auch hier vorhandenen Turm einer Kir­chen­burg zu stehen:

Turm der Pfeilerbasilika in Copșa Mare (Groß-Kopisch)

Der rumänische Burgwächter (dessen Frau wohl mit der Einsamkeit und der zäh da­hin­flie­ßen­den Zeit in der siebenbürgischen Pro­vinz weniger zufrieden war als der ihr recht­mä­ßig zugemutete Schlüsselbewahrer) hatte uns die Kirche aufgesperrt und sie uns dann zur eigenen Erforschung überlassen (viel zu erklären hätte er wohl ohnehin nicht ver­mocht, die Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist ja nicht die seine). Also er­klom­men wir (abgesehen von Frieda, der lässigen Labradorin) den Turm der Kirche. Über höl­zer­ne »Hühnerleitern« hinauf und über haufenweise Tau­ben­kot hin­weg bis zu den großen Glocken. Alles völlig un­be­auf­sich­tigt und unter Be­gleit­um­stän­den, die es daheim in Deutschland definitiv so nirgends mehr gibt. Da wäre so ein Turm wegen Bau­fäl­lig­keit verrammelt und verriegelt. [1] [2]

Mitten in fremden Landen Glocken mit deut­scher Inschrift zu sehen fühlt sich anfangs schon ein wenig merkwürdig an, zumal auch die anderen Beschriftungen in der Kirche, verstaubte Gesangbücher und sonstigen gedruckten Hinterlassenschaften sämt­lich auf Deutsch verfaßt sind. Schnell werden da Assoziationen an apokalyptische Endzeit-Geschichten geweckt, mitunter kommt man sich in den entlegeneren Kirchen tatsächlich wie der letzte Mensch auf Erden vor. Man gewöhnt sich natürlich da­ran, aber es ist schon eigenartig, sich das jahrhundertelange Nebeneinander von Ru­mä­nen, Siebenbürger Sachsen und anderen Volksgruppen vor­zu­stel­len, die alle ziemlich kon­se­quent unter Ihresgleichen blieben, statt sich langfristig zu einem Volk zu ver­men­gen…

Die Kirchenburg von Copșa Mare aus der Distanz

Der Blick zurück auf Copșa Mare und seine Kirchenburg zeigt eine vermeintliche Idyl­le, die typisch ist für Siebenbürgen, jenem Land­strich in der Mitte Rumäniens, in der die Ver­gan­gen­heit noch überall offen zu Tage liegt. Diese zu Fuß zu erwandern und zu erkunden ist ungleich befriedigender als das Hin­ge­fah­ren­wer­den im Reisebus mit je­weils 20 Mi­nu­ten Knips- und Pinkelpause vor der Wei­ter­fahrt zur nächsten Se­hens­wür­dig­keit! Der zonebattler und seine bessere Hälfte waren sich jedenfalls einig: Lieber eine Handvoll intensiv inspizierter Kirchenburgen in der Erinnerung behalten als zwei Dutzend nur en pas­sant fo­to­gra­fier­te hinterher kaum noch zuordnen zu können.

Wenn wir nach unseren täglichen Ex­kur­sio­nen wieder »daheim« in Richiș angekommen waren, gaben wir uns fast jeden Abend der Süße des Müßigganges hin, machten erst ein kleines Nickerchen, nickten anschließend den immergleichen Statisten vor der Dorf­bar zu und ließen uns über­ra­schen von dem, was uns so vor die Augen kam. Eine erstaunliche Entdeckung waren akribisch geführte, prä-excelitische Tabellen aus den 1920er Jahren, in denen in schönster Handschrift fest­ge­hal­ten war, wer in welchem Haus des Dorfes wohnte und wieviel Stück Vieh und »Zünder« besaß:

Historische Dokumente, von Unwissender zum Verkauf feilgeboten

Der amtliche Charakter der Dokumente war offenkundig, der aus ihnen wabernde Geist des deutschen Berufsbeamtentums ebenso. Indes war die ehedem germanische Grund­ord­nung der Erosion preisgegeben: Eine im ehemaligen Pfarrhaus eingemietete Zi­geu­ne­rin [2] hatte die Archivalien am Dachboden gefunden und kurzerhand zu le­gi­ti­mer Mar­ke­ten­der­wa­re erklärt in der Hoffnung, die ihrem Verständnis ver­schlos­sen blei­ben­den Schriftstücke an Touristen wie uns verhökern zu können. Der Gewinn liegt bekanntlich im Einkauf, und bei weg­ge­fun­de­nen An­ti­qui­tä­ten mit Einstandspreis Null wäre auch der bescheidenste Erlös als Gewinn zu ver­bu­chen. Daß damit historische Er­kennt­nis­se und Kontexte un­wie­der­bring­lich dahin sind, hat schon altägyptische Grab­räu­ber nicht gestört, was wollte man da von einer simpel gestrickten und mut­maß­lich kaum bis wenig gebildeten Landfrau er­war­ten? Wir haben jedenfalls nichts gekauft von ihrer pa­pie­re­nen Beute, um derlei Tun nicht auch noch zu ermutigen…

Ein neuer Tag, ein neues Abenteuer: Statt die gut vier Straßenkilometer nach Biertan mit der Nachbarn Fahrräder zu erstrampeln, zogen wir zu Fuß los, um nach Über­que­rung des nächsten größeren Geländebuckels in einem parallel verlaufenden Tal zum Nach­bar­ort zu marschieren. Auf stark aus­ge­spül­ten Wirtschaftswegen ging es zunächst forsch bergan, und immer wieder gab es einen Grund anzuhalten, um sich Fauna und Flora näher zu besehen. Meine Güte, dachte sich der schwitzende Chronist bei ei­ner die­ser Gelegenheiten, wie lange hast Du schon keinen Schwalbenschwanz mehr ge­se­hen? Und dieser prächtige Flat­ter­mann hier po­siert geradezu keck vor Deiner Kamera und will partout im Bilde festgehalten werden! Na gut, man ist ja betörenden Schön­hei­ten jederzeit gerne und eilfertig zu Diensten:

Sich sonnender Schwalbenschwanz

Auch weniger augenfällig herausgeputzte Sechsbeiner haben wir in großer Zahl und Vielfalt angetroffen. Tatsächlich wird einem durch das allgegenwärtige Gewimmel und Gesumme in Siebenbürgens Wald und Flur erst so recht vor Augen und Ohren ge­führt, daß das vielzitierte Insektensterben in Deutschland und Zentraleuropa keine hohle Panikmache, sondern längst bedrohliche Realität ist. Da kann man nur hoffen, daß Monokulturen und Che­mie­kon­zer­ne nicht auch noch Osteuropas Ökosysteme auf Dau­er verarmen lassen…

Im drübigen Tal begann dann er­staun­li­cher­weise eine wunderbar aus­ge­bau­te und prä­zi­se asphaltierte Straße im faktischen Nichts: Kein Ort, kein Haus, kein sonstiger er­sicht­licher Grund, warum eine Straße dieser Güte just hier beginnen oder enden soll­te! Es ging einfach los und aus dem staubig-sandigen Wirtschaftsweg in the middle of nowhere wur­de von einem Schritt zum nächsten eine per­fekt markierte Fahrbahn:

Mit EU-Mitteln erbaute Asphaltstraße im Nirgendwo

Kilometerlang ging es so voran, selbstredend mit glänzenden neuen Stoppschildern an al­len einmündenden Wegen, denen man ge­trost eine durchschnittliche Ver­kehrs­dich­te von 1,5 Fuhrwerken/Woche unterstellen darf. Als erfahrene Inselreisende ahnten wir die Hintergründe natürlich schon lange, bevor wir am Ortseingang von Biertan unser Wäh­nen auf einer großen Informationstafel be­stä­tigt sahen: Im Rahmen eines vom Land mit 0 EUR, aber von der Europäischen Union mit knapp 1.000.000 EUR ge­för­der­ten In­fra­struk­tur­pro­jekts wurde hier ein Stück Fort­schritts auf (nicht etwa in) den Sand gesetzt, auf den die Beteiligten mächtig stolz sind. Man mag sich fragen, ob man mit dem Geld nicht besser die immer noch un­be­fe­stig­ten Staubstraßen innerhalb des nicht ganz un­be­deu­ten­den Städtchens Biertan hätte as­phal­tie­ren können. Man mag sich ferner darüber echauffieren, daß der eu­ro­pä­isch-föderale Geldregen immer nur Neues kurz­fri­stig er­blü­hen läßt, zu dessen laufender Un­ter­hal­tung danach aber keine Mittel mehr da sind, weshalb die Natur sich unverzüglich an­schickt, sich alles wieder langsam zu­rück­zu­er­o­bern. Hilft aber alles nix: Wenn die ei­nen schlau genug sind, formgerechte För­der­an­trä­ge zu stellen, und die anderen sich nicht mit dem Pa­pier­krieg befassen wollen, dann fließt das Geld halt zu den Gewiefteren, auch ganz ohne Kor­rup­tion. Die es dem Ver­neh­men nach in Rumänien aber auch noch in reicher Aus­wahl geben soll…

Kurz vor Biertan und in Sichtweite besagter Infotafel geht der Asphalt wieder in Sand und Staub über, was für ein ortsübliches Vehikel mit zwei PS ja auch den allemal stim­mige­ren Unter- und Hintergrund abgibt:

Pferdefuhrwerk am Ortsrand von Biertan (Bierthälm)

Die Topographie der von uns bereisten und inspizierten Dörfer folgt meist dem glei­chen Schema: Innen die soliden Höfe und Häuser der Siebenbürger Sachsen, drum­he­rum die einfacheren und kleineren Häuschen der Ru­mä­nen, draußen an der Peripherie die schä­bi­gen Hütten bis unwürdigen Verschläge der Roma und anderer un­ter­pri­vi­le­gier­ter Volks­grup­pen. Mit dem Exodus der deutsch­stäm­mi­gen Bevölkerung, also nach der Aus­wan­de­rung der meisten Sie­ben­bür­ger Sachsen, hat sich das »Vakuum« bald durch Nachzug von außen gefüllt. Darüber gäbe es vieles zu lesen und auch zu schreiben, hier sei nur festgehalten, daß natürlich auch heute noch (oder wieder) die besser Ge­stell­ten die ge­die­ge­ne­ren Häuser im Ortskern bewohnen und die Armen draußen in den Beinahe-Slums hausen…

So, dann wollen wir mal nach diesen Be­trach­tun­gen mit wenigen weiteren Schritten end­lich das Ziel unserer Wanderung erreichen und sozusagen »von hinten rein­kom­mend« die grandiose Kirchenburg von Birthälm erspähen:

Die Kirchenburg von Biertan (Birthälm)

Im 16. Jahrhundert erbaut und von einer dreifachen Ringmauer umgeben, ist dieser trut­zi­ge Gotteshauskomplex geradezu der Inbegriff einer Siebenbürgischen Kir­chen­burg und hätte beste Aussichten auf einen der vordersten Plätze in einem hier­mit ima­gi­nier­ten Ranking der Prächtigsten ihrer Art! Über die Baugeschichte und die rei­che In­nen­aus­stat­tung möge sich die interessierte Leserschaft im oben verlinkten Wi­ki­pe­dia-Artikel in­for­mie­ren. Der Endesunterfertigte beläßt es für heute beim Hinweis auf ein wun­der­ba­res Foto der Kirchenburg zu Birthälm, in dessen Hintergrund etwas zu sehen ist, was unbedarfte Beobachter viel­leicht gar nicht auf Anhieb erkennen und rich­tig einordnen können: Die Rede ist von den Terrassierungen, die heute sinnlos er­schei­nen mögen, aber auf die frühere Nut­zung des Hanges als Weinberg hin­wei­sen. Davon wird in der letzten Folge dieses Reise-Rapports noch die Rede sein, für heute sei es nunmehr genug.

 
[1] Wobei sich der Berichterstatter dunkel daran erinnert, in Thüringen kurz nach der Wende im Rahmen eines In­spek­tions­be­su­ches auch schon mal einen baufälligen Kirch­turm unter vergleichbar verwegenen Rah­men­be­din­gun­gen er­klom­men zu haben. Was in der Ex-DDR mit dem Mauerfall zu Ende ging, ist im Rumänien der Jetztzeit hier und da noch gegenwärtig – im Guten wie im Schlechten.

[2] Leider hat der lange Zeit unkontrollierte Zugang zu den verlassenen Kir­chen­bur­gen diesen oft schwer zugesetzt durch Plün­de­rung und Vandalismus. Die einst nicht un­be­dingt außerordentlich prächtige, sicherlich jedoch ordentliche Orgel der Kirche von Copșa Mare ist gegenwärtig in desolatem Zustand: Viele ihrer Pfeifen wurden von Metalldieben grob he­raus­ge­ris­sen und abtransportiert, womit das nun nicht einmal mehr aus dem »letzten Loch« pfeifende Instrument jenseits aller realistischen Hoff­nun­gen auf Reparierbarkeit zum traurigen Sperrmüllhaufen degradiert worden ist…

[3] Mit dieser ortsüblichen Typisierung ist durchaus keine Diskriminierung be­ab­sich­tigt, die Roma in Rumänien bezeichnen sich mit­un­ter ja selbst als țigani. Der allzeit auf Kom­ple­xi­täts­re­duk­tion bedachte zonebattler dif­fe­ren­ziert ungeachtet ethnischer Her­kunft, Geschlecht, Hautfarbe und Nasenlänge stets nur nach ihm sympathischen und ihm un­sym­pa­thi­schen Menschen. Das hat sich je­der­zeit und jedenfalls bewährt und reicht zum Bestreiten des Alltagslebens auch al­le­mal aus.

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Da wir ja für die Dauer des gesamten Urlaubs unser Hauptquartier in Richiș (Reichesdorf) aufgeschlagen hatten, war unser Aktionsradius auf eine halbe Tagesreise beschränkt. Von einer echten Beschränkung konnte indes keine Rede sein, denn es gab im Umkreis von ein paar Dutzend Kilometern ohnehin viel mehr zu sehen, als in unserer heurigen Sommerfrische Platz finden konnte. [1] Der in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerteste Ausflug (unter anderem war er der weiteste) führte uns nach Viscri alias Deutsch-Weißkirch. Die schier nicht enden wollende Anfahrt über eine holprige »Straße« der Kategorie »Testparcours für Militärfahrzeuge« führte uns schließlich in das beschauliche Dorf, welches mitsamt seiner (na was wohl?) Kirchenburg auf der Welterbe-Liste der UNESCO steht. Und das völlig zu Recht, wie schon der erste Blick auf die bestens gepflegte Sakralfestung beweist:

Die Kirchenburg von Viscri (Deutsch-Weißkirch)

Routiniert wurde a) das Innere inspiziert, b) der Turm bestiegen, c) die Aussicht genossen, d) der komplette Gebäudekomplex begangen und schlußendlich e) die Gedenktafeln für die in den beiden Weltkriegen umgekommenen Kriegsopfer des Ortes studiert [2]. Auch wenn sich diese trutzigen Bauten im Zweck gleichen und in ihrer Anlage oftmals ähnlich sind: Letztlich ist doch keine Kirchenburg wie die andere und jede hat ihren eigenen Charakter!

Beim anschließenden Bestreifen des Ortes machten wir noch in einer nahen Hofwirtschaft Halt, aus deren hinteren Bereich ein beständiges Klopfen und Schleifen oder Fräsen zu hören war. Zunächst dachten wir allesamt an Bauarbeiten zur Verschönerung des Anwesens. Tatsächlich aber wurden wir erst Ohren- und dann erstaunte Augenzeugen der landesüblichen Brotproduktion: Die außen völlig verkohlt erscheinenden Laibe wurden – frisch aus dem Ofen kommend – erst von Frauen auf Tischplatten gehauen (wodurch die äußeren »Verkohlungen« abfielen) und dann an Männer weitergereicht, die an stationären Elektromotoren mit aufgepflanzten Schleifscheiben den Rest der schwarzen Schicht herunterfrästen, bis als Lohn der Mühe ein dampfend heißer Brotlaib mit honiggelber Kruste übrig blieb. Das alles ging in eingespielter Präzision ruck-zuck vonstatten und dem weiland verblüfften Endesunterfertigten läuft Monate später immer noch das Wasser im Munde zusammen beim Gedanken an den wunderbaren Geschmack des ultrafrischen Brotes...

Blümerantes Spiel von Licht und Schatten

Auch sonst gab es in Viscri / Deutsch-Weißkirch einiges zu entdecken, fröhlich-farbig verputzte Häuser, schön restaurierte Details, und immer wieder machen sich Hausbesitzer auch die Mühe, alte Fassaden-Inschriften von früheren Besitzern und Bewohnern wieder aufzufrischen. Na ja, sowas wie »Lasset uns am Alten, so es gut ist, halten. Aber auf dem alten Grund Neues wirken jede Stund« mag ja auch manchem Rumänen ohne deutsche Wurzeln als weises Lebensmotto erscheinen.

Die geneigte LeserInnenschaft möge sich bitte Viscri per Google Maps aus der Luft anschauen: Einmal mehr fällt das typische Erscheinungsbild eines Siebenbürgischen Straßendorfes auf mit vielen schmalen, aber sehr tiefen Anwesen entlang der Hauptstraße. [3] In diesem zwar umständlich erreichbaren, jedoch in jedem Reiseführer hervorgehobenen Dorf kann man durchaus den Einduck eines durch den Tourismus beförderten, langsamen Aufschwungs gewinnen: Handarbeiten werden ausgestellt und angeboten, und der schon erwähnte Trend zur ordentlichen Instandsetzung und -haltung der alten sächsischen Häuser scheint sich links und rechts der Vorreiter fortzusetzen: Wenn’s der Nachbar sichtbar schön(er) hat, will man bald selbst mit einem ansehnlichen Erscheinungsbild der eigenen Behausung glänzen:

Dach-Detail in Deutsch-Weißkirch

Man kann den Deutsch-Weißkirchern nur wünschen, daß Sie den wuchernden Tourismus auf eine Weise einhegen können, daß er dauerhaft mehr segensreiche als schädliche Wirkung entfaltet. Eine besser ausgebaute Zufahrtsstraße und mehr Parkplätze würden vermutlich die Verkäufer kitschiger Fernost-Souvenirs und dubioser Draculantien auf den Plan rufen, von ortsuntypischen und kulinarisch fragwürdigen Einkehr-Angeboten nicht zu reden. Wie es sich langfristig ausgeht, ist ungewiß. Noch jedenfalls ist es in und um Viscri recht beschaulich...

Noch ruhiger geht es in Cloașterf (Klosdorf) zu, einem der drei Ortsteile von Saschiz (Keisd), den wir auf der Rückfahrt ansteuerten (der befestigten Kirche wegen, wie die bis hierher treu gebliebenen LeserInnen fraglos bereits geahnt haben). Ein kleiner Weiler im regionaltypischen »Ladykracher-Layout« [3], der zwar insgesamt nicht eben heruntergekommen ausschaut, in dem aber doch die Spuren langjährigen Verfalls hier und da deutlich zutage treten:

Verfallendes Haus in Cloașterf (Klosdorf)

Tja, warum sind an sich schöne Häuser in idyllischer Lage unbewohnt und dem langsamen Verfall preisgegeben? Sind es ungeklärte Eigentümerverhältnisse, landfluchtbedingter Einwohnerschwund oder mangelt es den Hausbesitzern schlicht am Willen (oder auch nur an den Mitteln), ihren Besitz angemessen zu pflegen? Man weiß es nicht, aber einen (oder mehrere) der genannten möglichen Gründe wird es schon haben...

In Cloașterf trafen wir das Tor im Wehrwall um die Kirche verschlossen an. Es fand sich immerhin ein Hinweis auf den Schlüsselbewahrer und dessen Telefonnummer. Und tatsächlich, unsere mitgeführte Muttersprachlerin Almut konnte anhand dieser Angaben den rumänischen Aufpasser herbeirufen. Nur wenige Minuten später surrte er auf einem elektrischen Miniaturmotorrad herbei und gewährte uns Einlaß in das alte Gemäuer, in dem abermals die Zeit stehengeblieben zu sein schien:

In der kleinen Kirchenburg von Klosdorf

Auch wenn dies durchaus nicht das erste menschenleere (wenngleich mutmaßlich nicht gottverlassene) Gotteshaus war, welches wir auf unserer Reise besichtigten: Erneut konnte man den Eindruck haben, als wäre die Gemeinde der Gläubigen gerade erst aufgebrochen (oder noch nicht eingetroffen). Man muß sich immer wieder ins Bewußtsein rufen, daß kaum noch Siebenbürger Sachsen in dieser Gegend leben, die über Jahrhunderte ihre Heimat gewesen war. Da ihr selbstgewählter Exodus nicht mit einer überhasteten Flucht vor einem anrückenden Feind zu vergleichen ist, verwundert es schon, daß die Rumäniendeutschen sogar in ihren privaten Häusern so viele persönliche Dinge einfach zurückgelassen haben...

Wie so oft war es unserer multilingualen Nachbarin vergönnt, mit dem lokalen Bodenpersonal einen schnellen Schwatz auf Rumänisch zu halten. Das freute natürlich auch den diensteifrigen Schlüsselbewahrer, die gemeinsame Sprache verbindet und löst die Zunge. Der Berichterstatter, dessen Plappertaschizität in heimischen Gefilden nachgerade legendär ist, war in Rumänien oftmals zum stummen Zuhören verurteilt, und nicht mal das funktionierte zufriedenstellend, da ihm seine zusehends nebulöser werdenden Latein-Kenntnisse allenfalls bei der Dechiffrierung von amtlichen Schriftstücken ahnungsweise weiterzuhelfen vermögen. Na immerhin konnte er dadurch sich im vorliegenden Falle ganz auf die Komposition eines Schattenspieles mit den beiden agilen Gesprächspartnern konzentrieren:

Besucherin und Kirchenwächter im Zwiegespräch

Nachdem wir alles gesehen hatten (wie immer inklusive Turm mit Glocken und kubikmeterweise Tauben-Guano), schwang sich der freundliche Herr wieder auf seinen kompakten E-Roller und schnurrte von hinnen, um sein unseretwegen unterbrochenes Tagewerk wieder aufzunehmen. Wir fuhren im Auto hinterher und machten auf dem Heimweg noch kurz Station im eigentlichen Ort Saschiz, dessen eindrucksvolle Wehrkirche uns an diesem Tage allerdings wirklich verschlossen blieb. Egal, man kann nicht immer Glück haben und so bleibt für die nächste Reise nach Rumänien auch noch was übrig...

Am nächsten Morgen schwangen wir uns nach dem Frühstück auf die Fahrräder unserer Nachbarn, welche diese – hinten auf ihr Auto geschnallt – aus Fürth nach Rumänien mitgenommen hatten. Sehr praktisch indeed! Das Ziel der Strampelei war wieder einmal der Nachbarort Biertan (Birthälm), dessen Kirchenburg zu den meistbesuchten zählt, was wohl zu gleichen Teilen ihrer facettenreichen Anlage, dem guten Erhaltungs- respektive Renovierungszustand und der verkehrsgünstigen Lage zuzuschreiben ist. Jedenfalls tut man gut daran, vor den rentnerspuckenden Reisebussen aufzuscheinen. Nach Besichtigung der architektonischen Innereien kam ich nicht umhin, die Kamera zu zücken, um das wuchtige Ensemble mit seinen vielen trutzigen Türmen nochmals im Bilde festzuhalten:

Von jeder Seite ansehnlich: Die Kirchenburg zu Biertan (Birthälm)

Über die bereits in der vorausgegangenen Folge beschriebene, mit üppigster Bezuschussung durch die EU ins pittoreske Nichts gebaute Asphaltstraße radelten wir anschließend retour bis zum Ende der mondänen Piste, schoben alsdann die Drahtesel über den Berg und rollten schlußendlich erschöpft, aber zufrieden wieder in Reichesdorf ein...

Aber damit war der Tag ja bei weitem noch nicht ausgefüllt! Nach einem mittäglichen Nickerchen folgte auf die Zweiradtour ein Vierradausflug der besonderen Art: Ein schon Tage zuvor seine Dienste angeboten habender Fuhrwerksbesitzer tauchte tatsächlich zum verabredeten Zeitpunkt am ausgemachten Treffpunkt auf, um die Fürther Delegation (bekanntlich bestehend aus vier Erwachsenen, zwei Kindern und einer Labradoreuse) quer durch die üppig-grüne Landschaft nach Ațel (Hetzeldorf) zu kutschieren. Die ausgewaschenen Schotterwege, der Wagen aus groben Brettern und die schwabbelig-weichen Ballonreifen ließen die Fahrt zwar streckenweise zur Schaukelpartie werden, der Chronist konnte jedoch Anflüge von Seekrankheit tapfer unterdrücken. Kindheitserinnerungen wurden in ihm wach, als das schwer beladene Vehikel über die staubigen Wirtschaftswege zuckelte:

Mit dem Bretterwagen quer durch die Landschaft

An dieser Aufnahme ist mehrerlei bemerkenswert: Erstens die roten Fingernägel von Prinzessin Ida (5), zweitens, daß man vor lauter Besatzung das Vehikel gar nicht sieht, drittens der ruhig laufende Antrieb mit 1 PS, viertens die grünen Hügel im Hintergrund, deren Terrassierung sie eindeutig als ehemalige Weinberge ausweist. Man bekommt so langsam eine Ahnung davon, wie ausgedehnt, ja nachgerade dominierend der Weinanbau in dieser Gegend früher war, dessen Beherrschung aber mit dem Exodus der Siebenbürger Sachsen weitgehend verloren gegangen ist und der nun von besonders rührigen jungen Rumänen langsam wieder erlernt und betrieben wird, freilich in einem im Vergleich zu früher noch recht bescheidenen Maßstab...

Die obligatorische Kirchenburg sahen wir am Ziel unserer Ausfahrt nur aus der Ferne, wir wurden von des Fuhrmanns Familie erwartet und freundlich bewirtet. Nach Verkostung von Backwerk und gestenunterstütztem Small Talk erklommen wir immerhin noch den hochgelegenen deutschen Friedhof von Ațel, spähten durch das Schlüsselloch der zugesperrten Bergkapelle und studierten die Inschriften der Grabsteine. Auch diesmal gab es wieder die landestypische Häufung bestimmter Nachnamen zu beobachten:

Deutscher Friedhof von Ațel (Hetzeldorf)

Anschließend ging es wieder zurück über Stock und Stein im pferdebespannten Bretterwagen durch eine malerische Landschaft, die streckenweise den Vergleich mit der Toskana nicht zu scheuen braucht. Dies im Bilde zu belegen behalte ich mir aber für den vierten und letzten Teil dieser Reiseberichterstattung vor.

 
[1] Womit angedeutet sei, daß ein weiterer Besuch in Siebenbürgen bereits als beschlossen gelten darf...

[2] Diese Gedenktafeln lesen sich insofern besonders bestürzend, als manche Nachnamen auf ihnen gleich halbdutzendfach oder gar noch öfters zu sehen sind. Auf den ersten Blick scheinen dort in beiden großen menschengemachten Katastrophen des 20. Jahrhunderts ganze Familien ausgelöscht worden zu sein, aber hier spielt natürlich auch die »geschlossene Gesellschaft« der Siebenbürger Sachsen mit hinein: Die Heiraterei untereinander führte logischerweise auch zur Vermehrung etablierter Familiennamen. Im Verein mit einer traditionellen Neigung zur Vergabe der elterlichen Vornamen an die Nachkommen führte das vielfach zu kompletten Namensgleichheiten über mehrere Generationen hinweg, was Ahnenforscher heutzutage vor besondere Herausforderungen stellt.

[3] Pyromanen aus des zonebattler’s Alterskohorte fühlen sich vielleicht wie dieser an die »Lady Cracker« erinnert, die es alljährlich zu Silvester anzukaufen und abzufeuern galt: Hundert(e) kleine Kracher in zwei Reihen, deren Lunten zu einem gemeinsamen Mittelstrang verflochten waren. Abstrahiert man die Mini-Böller zu Grundstücken und nimmt man den gemeinsamen Luntenzopf als Straße, hat man das maßstäbliche Muster einer Siebenbürgischen Ansiedlung vor Augen!

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Strangers in the Night

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Neulich hat mich der nächtliche Anblick eines türkischen Imbisses an das berühmte Bild Nighthawks von Edward Hopper aus dem Jahre 1942 erinnert. Ich erzuhl sogleich Freund Robert von dem en passant erspähten Motiv, und der hat natürlich gleich wieder mit links eine traumhafte Serie aus seiner Kamera geschüttelt...

Heute kam ich wieder zur dusteren Stunde an jener südstädtischen Ecke vorbei, und da zückte ich mein Handy, um meine Interpretation der Szene auch noch abzuliefern:

Home of The Big Döner

Rein technisch ist mein Bild natürlich Murks, aber es ist ja auch nur mit dem lichtschwachen Mini-Auge des Smartphones aufgenommen worden. Doch in kleiner Auflösung ist es zumindest noch einigermaßen vorzeigbar, und mir kam’s primär auf die Komposition der Perspektive an.

P.S. Dank sei dem Wettergott für das Pfützen-Arrangement, ich hätte es nur mit Mühe und einer Gießkanne so gut hingebracht...

Packendes Porto (1)

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Impressionen aus Porto

 
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